Wann immer ich Kinder juchzend Tauben jagen sehe, muss ich an die vielen wundervollen Begegnungen denken, die mir im vergangenen Jahr vergönnt waren. Ich produzierte ein Radiofeature über Kinder mit lebensverkürzenden Krankheiten und reiste zu diesem Zweck durch ganz Deutschland. Tauben haben diese Helden meines Features Gestorben wird erst morgen natürlich nicht jagen können. Aber Freude haben sie ausgestrahlt, Glücksmomente intensiv ausgekostet. Hinter diesen Helden stehen viele, viele Heldentaten, begangen von Eltern, Ärzten und Pflegern, von Menschen, die sich empathisch kümmern.
Karin gehört dazu. Karin Eckstein hat in der baden-württembergischen Gemeinde Illingen die Familienherberge Lebensweg aufgebaut. Eine Erholungseinrichtung für Familien mit schwerkranken Kindern: „Jeder von uns spricht von Urlaub, geht was weiß ich wohin, und denen ist nicht einmal in der nahen Umgebung Entspannung gegönnt.“ Angetrieben wird Karin von ihrem großen Herzen: „Da sind mir echt die Tränen in den Augen gestanden. Also das ist für mich Lohn, wenn die Eltern sagen, es war so schön, wir sind echt erholt und haben Reserven wieder für unseren Alltag. Das ist eigentlich der Lohn.“
Empathie. Grundvoraussetzung für eine Anstellung im Kinderhospiz Sonnenhof. Eine Berliner Altbauvilla in Pankow, hinter deren Mauern sehr professionell auf leisen Sohlen gearbeitet wird. Pia Heinreich leitet den Pflegedienst im Sonnenhof: „Mit das Wichtigste für mich ist, dass ich in der Lage bin, mich wirklich einzufühlen in die Familie und natürlich diesen hospizlichen Gedanken zu haben, dass Tod und Sterben zum Leben dazugehören beziehungsweise diese Einstellung: Bis zum Tod ist es Lebenszeit.“
So viel Lebensglück an so vielen Orten, die ich besuchte. Das hatte ich nicht erwartet. Julia Wiegmann macht Krankenhausbesuche – beruflich. Im Job heißt sie allerdings nicht Julia, sondern Wilma. Clownin Wilma. Strohblondes Haar, eine große rote Clownsnase und ein Kostüm, das alle, wirklich alle Farben hat. Und Punkte. Und Streifen. Ich traf Clownin Wilma in der Professor Hess Kinderklinik in Bremen. Station 5. Kinderkrebsstation: „Wir besuchen Kinder, die krank sind, und die unterscheiden sich aber in dem Moment, wo wir mit ihnen spielen, nicht von anderen Kindern. Also Kinder spielen, egal ob sie krank sind, und bis zuletzt spielen Kinder.“ Clownin Wilma denkt gar nicht daran, ein trauriges Gesicht aufzusetzen. Sie hopst und tutet und singt und spielt die Kalimba. Sie schaut ganz genau auf die Kinder, auf deren Wünsche, die sie zum Teil von den Augen ablesen muss. Und Mitleid wünschen sich die Kinder nicht. Viele juchzen, wenn Wilma zur Tür reinkommt.
Empathisch sein, Wünsche lesen können, sich hineinfühlen in den Kunden. Das fordert auch die ISO-Norm 9001. Jede Rückmeldung des Kunden ist wichtiger Bestandteil im Prozess der ständigen Verbesserung. Wir wollen dem Kunden so nah wie möglich kommen, ohne ihn dabei übergriffig zu belästigen, aber schon so nah, dass Kundenzufriedenheit oder gar -begeisterung für uns zum Lohn dazugehört. So wie es Karin aus der Familienherberge Lebensweg und ihre vielen Mitstreiter*innen vorleben.