Dieser Blog-Beitrag ist erschienen bei „Wirtschaft in Westfalen“
Wenn ich gefragt werde, wofür man eigentlich
Qualitätsmanagement einführen sollte in einem Unternehmen, dann könnte ich
stundenlang philosophieren: über die
Schönheit strukturierter Prozesse, über die Sinnhaftigkeit regelmäßiger Analyse
oder die Freude, die in einem effizienten und effektiven Meeting entsteht.
Weil ich schon jetzt spüren kann, dass Sie gerade ungläubig mit den Augen
rollen, nenne ich aber einfach mal eine nackte Zahl:
40 Prozent.
Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass wir 40 Prozent unserer
täglichen Arbeitszeit schlicht und einfach verschwenden. Weil wir zum Beispiel
irgendetwas suchen, was wir mal irgendwo abgespeichert oder irgendwo
hingestellt haben. Weil wir auf irgendetwas oder irgendjemanden warten. Oder
weil wir Dinge korrigieren müssen, an die wir vorher nicht gedacht haben. 40
Prozent unserer Arbeitszeit. Rechnen Sie das mal hoch auf Ihre
Lebensarbeitszeit. Und dann überlegen Sie außerdem, was Ihr Unternehmen alles
schaffen und leisten könnte – mit 40 Prozent MEHR Arbeitskraft. Zum gleichen
Preis…
Mind the GAPZ!
Und zack! Sind wir beim Qualitätsmanagement. Gut gemachtes
Qualitätsmanagement ist keine zusätzliche Belastung für eine Firma, sondern
eine große Hilfe. Die Betonung liegt dabei auf „gut gemacht“. Zu oft
entscheiden sich Unternehmen für eine „Quick-and-Dirty“-Lösung, weil sie einen
Zertifizierungs-Stempel haben wollen oder brauchen. Dann reduziert sich
Qualitätsmanagement tatsächlich auf die notwendigen Dokumentationen und wird vermutlich
ätzend für alle Beteiligten. Begreift man dagegen Qualitätsmanagement als
grundlegendes Mindset, eröffnen sich ganz andere Welten: Optimierte Prozesse,
neuer Spaß an der Arbeit und eine neue Art der Qualität im Produkt.
Die Autoren des Buches „Qualität managen“ (erschienen im Februar 2019 im
Springer-VS) haben dafür eine Formel kreiert: „Mind the GAPZ.“ Das GAPZ ist
dabei nicht die (falsche) Mehrzahl der Bahnsteig-Spalten der Londoner U-Bahn.
Vielmehr steht jeder Buchstabe des GAPZ für einen zentralen Baustein guten
Qualitätsmanagements. Zusammen verhindern diese Bausteine, dass Sie über die
Stolperfallen der täglichen Arbeit stürzen.
G für: Ganzheitlich denken
A für: Aenderungen gestalten
P für: Prozesse leben
Z für: Ziele definieren
Ganzheitlich denken
Ganzheitlich denken bedeutet, dass Sie bei der Beschäftigung mit
Qualitätsmanagement über kurz oder lang lernen werden, nicht mehr linear zu
denken und zu handeln, sondern dass Ihnen ein ständiger Kreislauf von
„Planen-Handeln-Überprüfen-Verbessern“ in Fleisch und Blut und Hirn übergeht. (Wenn
Sie googeln möchten: „PDCA-Kreislauf“) Sie werden überdies gar nicht mehr
anders können, als bei Entscheidungen und Handlungen auch immer gleich
mitzudenken, welche Schnittstellen zu anderen Personen oder Prozessen es gibt
und was es bedeutet, wenn Sie an dieser oder jener Stellschraube etwas
verändern. Ihr Gewinn: Die Arbeitslabläufe in ihrem Unternehmen werden
regelmäßig gestrafft und optimiert. Neue Abläufe bringen trotzdem den Rest
nicht aus dem Tritt.
Aenderungen gestalten
Aenderungen gestalten ist das Plädoyer dafür, sich nicht seufzend den „immer rasanter
werdenden Veränderungen“ Ihrer Branche auszuliefern oder hinterherzurennen,
sondern sich aktiv mit diesen zu beschäftigen. Haben Sie den Mut anzuerkennen,
dass Änderungen und Veränderungen ein natürlicher und unentbehrlicher Teil
eines jeden Systems sind. Gestalten Sie notwendige Änderungen, indem Sie sich
unermüdlich damit auseinandersetzen, was Ihr Unternehmen braucht, um in Zukunft
weiter erfolgreich zu sein. Oder womöglich noch erfolgreicher zu werden. Ihr
Gewinn: Zukunftsfähigkeit und das gute Gefühl, die kommenden Entwicklungen und
Herausforderungen sehenden Auges in der Hand zu haben. Das gilt sowohl für den
Markt, als auch zum Beispiel für Ihre Mitarbeitersituation.
Prozesse leben
Prozesse leben heißt, dass Prozesse nicht nur einmal vereinbart und
aufgeschrieben werden – und dann in der Schublade verschwinden oder auf der
Festplatte verstauben. Definierte Prozesse sind das wichtigste Element einer
vernünftigen Arbeitsorganisation. Sie gemeinsam zu vereinbaren und wie
vereinbart durchzuführen, sorgt für eine gleichbleibend gute Qualität Ihrer
Produkte. Prozesse unterliegen aber auch, wie alles andere in einem lebendigen
System, Änderungen und Veränderungen. Deswegen wollen sie immer wieder
angefasst, verändert und damit angepasst werden. Always touch a running system!
Ihr Gewinn: Definierte und eingehaltene Prozesse geben Ihnen und ihren
Beschäftigten Sicherheit. Neue MitarbeiterInnen sind sehr schnell und fehlerfrei
eingearbeitet.
Ziele definieren
Ziele definieren ist deswegen so wichtig, damit Sie und ihr Team wissen, wo
die Reise hingehen soll und wieviel der Wegstrecke Sie schon zurückgelegt
haben. Ziele sind nicht nur Verkaufszahlen oder Umsatzsteigerungen. Alles, was
wir bei der täglichen Arbeit tun, sollte ein Ziel verfolgen – und jeder sollte
wissen, was das für ein Ziel ist. Wenn das Team die gemeinsamen Ziele kennt,
dann liegt der Weg dahin für jeden einzelnen Mitarbeiter oft schon ganz klar
auf der Hand. Ziele zu definieren bedeutet, ganz klar vor Augen zu haben, wohin
man will. Ihr Gewinn: Das ganze Team zieht an einem Strang. Wer sein Ziel kennt,
der weiß in der Regel genau, wie weit es dahin noch ist und ob die Richtung
stimmt.
Uff. Das alles klingt nach einer Menge Arbeit. Und ja – natürlich lässt sich
Qualitätsmanagement in einem Unternehmen nicht implementieren, ohne zumindest
Arbeitskraft und Arbeitszeit zu investieren. Aber erstens müssen Sie ja nicht
alles alleine machen. Suchen Sie sich Mistreiter in der Firma und eine gute
Beraterin oder einen guten Berater, der mindestens in der Anfangsphase an Ihrer
Seite ist. Achten Sie darauf, dass die Beratung individuell auf Sie und Ihr
Unternehmen zugeschnitten ist und Sie keine Lösung von der Stange bekommen. Zweitens können Sie ganz klein anfangen. Schon
kleine Veränderungen haben oft einen großen Effekt, der Lust auf mehr
Qualitätsmanagement und mehr Verbesserung macht. Drittens ist es schlicht und
einfach den Aufwand wert. Denken Sie daran, dass gerade kleine und
mittelständische Unternehmen mit Fachkräftemangel zu kämpfen haben und in
Zukunft noch mehr zu kämpfen haben werden. Wer seinen Beschäftigten da die
besten Strukturen, die angenehmsten Arbeitsbedingungen und den meisten Spaß
bieten kann, steht in der Gunst der Umworbenen ganz weit oben. Denken Sie außerdem
an die oben erwähnten 40 Prozent vergeudeten Potentials! Mit gut gemachtem
Qualitätsmanagement können Sie eine Menge Zeitverschwendung in mehr Zeit für Ideen,
Innovationen und Verbesserungen umwandeln und sich so gegen die Konkurrenz
behaupten.
Oder um es mit William Edwards Deming, dem Pionier des modernen
Qualitätsmanagements, zu sagen: „Wir können entweder etwas gegen unsere
Probleme unternehmen oder Alles beim Alten lassen.“